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Von YouTube-Videos über Insta-Postings bis hin zu Kettenbriefen: Über Artikel 13 wird gerade überall gesprochen. Doch was musst du wirklich darüber wissen?

Update: 26. März 2019

Am 26. März um 13:02 ist die Entscheidung gefallen. Die Mehrheit der Abgeordneten hat für die Reform des Urheberrechts und damit auch für Artikel 13 gestimmt. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht liest du in diesem Artikel. 

Die Panik zu Artikel 13 verbreitet sich rasend. Die große Sorge: YouTube und Co wird es 2019 in Europa nicht mehr geben oder unzählige Kanäle werden gelöscht. Was ist da wirklich dran und was steckt überhaupt hinter diesem Artikel 13? Fangen wir mal von vorne an...

Wer oder was ist Artikel 13 überhaupt?

Aktuell ist Artikel 13 nur ein kleiner Teil in einem Gesetzesentwurf. Dieser heißt übrigens „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“. Das klingt erstmal nicht besonders spannend.
Wichtig ist: Es geht um das Urheberrecht.

Urheberrecht: kurz erklärt

Beim Urheberrecht geht es um geistige Werke. Das sind zum Beispiel Filme, Musikstücke, Bilder und Texte. Wer so etwas erschafft ist der Urheber dieses Werkes. Und als Urheber hat er das Recht an diesem Werk. Niemand anderes darf diese Werke einfach so selbst verwenden und veröffentlichen. Allerdings kann ein Urheber die Nutzungsrechte an seinem Werk abtreten bzw. verkaufen.

Auch wichtig: Es ist bisher ein Entwurf. Wie genau das Gesetz am Ende wirklich aussehen wird und vor allem auch, wie es umgesetzt werden wird, weiß aktuell noch keiner. Bei all der Panikmache handelt es sich also um Spekulationen: Dinge, die vielleicht passieren könnten – wenn man den Gesetzesentwurf sehr negativ auslegt. 

YouTube auf Laptop
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Woher kommt die Panik um Artikel 13?

Die große Angst, dass sich YouTube 2019 grundlegend ändern wird, ist bei Zuschauern vor allem durch Videos entstanden, in denen verschiedene YouTuber behaupten, durch Artikel 13 würden YouTube-Kanäle oder gar die ganze Plattform gelöscht. Diese YouTuber beziehen sich vor allem auf einen Brief der YouTube-Chefin Susan Woijcicki. In diesem Brief berichtet sie, dass sich YouTube aufgrund der geplanten Gesetzesänderung verändern könnte und kleine Kanäle nicht mehr zulassen könne.

Um die Panik zu verstehen, muss man sich erstmal die aktuelle Situation bei YouTube anschauen.  

Wie geht man aktuell mit Urheberrechten auf YouTube um?

Es ist nicht erlaubt, urheberrechtlich geschützte Inhalte auf Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram und Co zu veröffentlichen. Das heißt konkret: Du und andere YouTuber dürfen beispielsweise nicht den Musikvideoclip von Justin Bieber hochladen. Denn: Ihr seid nicht die Urheber dieses Videoclips. Das ist bisher auch schon so. YouTube hat dazu einen Filter namens Content ID eingerichtet. Videos werden von diesem Filter beim Hochladen automatisch mit vorhandenem, urheberrechtlich geschütztem Material verglichen. Erkennt YouTube, dass du gerade Justin Biebers Videoclip hochladen willst, wird zum Beispiel das Hochladen blockiert. 

Obwohl schon sehr viele kluge Köpfe am Content-ID-Filter gearbeitet haben, passieren aber leider doch immer wieder Fehler. Manche Videos werden bisher geblockt, obwohl sie eigentlich keinen Verstoß darstellen. Aber auch Videos die eigentlich einen Verstoß darstellen, werden trotzdem freigegeben. Bisher haften dafür die YouTuber selbst.

Das heißt: Wenn ein YouTuber Justins Musikclip hochlädt und Content ID den Verstoß nicht erkennt, muss der YouTuber später dafür geradestehen. In der Regel gibt es für solche Urheberrechtsverstöße dann z. B. Geldstrafen. Die muss der YouTuber aus eigener Tasche bezahlen.

YouTuberin vor der Kamera

Was würde sich durch Artikel 13 am Urheberrecht ändern?

Artikel 13 sieht vor, dass nicht mehr die Nutzer für Urheberrechtsverstöße haften, sondern die Plattformen, die das zulassen. Das heißt in unserem Beispiel mit Justins Musikclip: YouTube müsste für den Verstoß bezahlen. Das könnte ganz schön teuer werden und das möchte YouTube natürlich unbedingt vermeiden. Das gleiche gilt dann übrigens für Insta, Snapchat, Facebook und Co. Um solche möglichen Kosten zu vermeiden könnte YouTube sagen: Wir schließen alle kleinen Kanäle, dann besteht auch keine Gefahr, dass wir etwas bezahlen müssen. YouTube würde sich dann also wirklich extrem verändern.

Ist YouTube also 2019 in Deutschland wirklich Geschichte?

Nein. Es ist eine ziemlich absurde Vorstellung, dass plötzlich alle „kleinen“ YouTube-Kanäle geschlossen werden würden. Denn genau mit diesen Kanälen verdient YouTube schließlich Geld – und zwar mit den hier platzierten Werbeclips. Auf diese Einnahmen will YouTube sicherlich nicht verzichten. Viel wahrscheinlicher ist es, dass YouTube seine Kontrollen nach urheberrechtlich geschützten Inhalten verstärken müsste, zum Beispiel durch bessere Filter.

Das möchte YouTube sehr wahrscheinlich auch verhindern, ganz einfach, weil die Entwicklung solcher Kontrollmethoden YouTube Geld kosten würde. Mit den YouTubern hat das aber nichts zu tun.

YouTube und Artikel 13

Wenn alles halb so wild ist, warum reden dann so viele YouTuber darüber?

Es mag sein, dass manche YouTuber es nicht besser wissen und wirklich befürchten, den eigenen Kanal zu verlieren. Was aber sicherlich auch stimmt: Aktuell erhalten YouTuber für Videos zum Thema Artikel 13 extrem viel Aufmerksamkeit und damit Reichweite. Je mehr Reichweite ein YouTuber hat, desto besser kann er mit seinem Kanal Geld verdienen. Für einige YouTuber dürfte also das Interesse am eigenen Gewinn hinter ihren Panik-Videos stecken. Leider.

Achtung: Tricks!

Wenn ein YouTuber dich auffordert, ihm oder ihr schnell auf Instagram zu folgen, weil der YouTube-Channel gelöscht werden könnte: Das macht keinen Sinn. Denn auch Instagram müsste sich an die Vorgaben von Artikel 13 halten. Hinter der Aufforderung könnte also ein Trick stecken: Der YouTuber erhofft sich so schnell mehr Follower auf Instagram zu bekommen. Auch damit kann er dann z. B. durch Werbung mehr Geld verdienen. 

Petitionen rund um den Artikel 13

Einige YouTuber rufen dazu auf, sich auf einer Petition gegen den Artikel 13 zu stellen. Online-Petitionen sind eine gute Sache, um sich für oder gegen bestimmte Dinge einzusetzen. Sicherlich gibt es auch einige Punkte, die man am Artikel 13 sehr kritisch sehen kann. Die Panikmache von YouTubern ist aber nicht besonders hilfreich dabei, sich ein echtes Bild vom Thema zu machen. Bevor du also aus Angst, deinen Lieblings-YouTuber nicht mehr auf YouTube sehen zu können, überall wie wild #saveyourinternet kommentierst oder die Petition unterzeichnest: Informiere dich.
Statt Artikel 13-Kettenbriefen: Leite doch lieber hilfreiche Artikel wie diesen hier an deine Freunde weiter. Und dann entscheidet ihr in Ruhe, ob ihr die Petition unterstützen wollt oder nicht.

 Update: Februar 2019

Im Februar wurde im EU-Parlament jetzt ein Kompromiss gefunden und ein entsprechender Gesetzesentwurf erstellt, der dazu führen könnte, dass YouTube verpflichtet wird, Uploadfilter einzusetzen. Doch auch dieses Gesetz tritt nicht einfach in Kraft. Die finale Abstimmung dazu findet erst im April statt. Bis dahin sind einige weitere Demonstrationen gegen den Artikel 13 geplant. Dass viele YouTuber und auch Privatpersonen den Gesetzesvorschlag nicht gut finden, sollte mittlerweile auch bei den Abgeordneten angekommen sein. Wenn 13 Regierungen (oder beliebig viele Regierungen, die zusammen 35% der Bevölkerung in der EU stellen) gegen den Vorschlag stimmen, wird er gestoppt. 

Update: März 2019

Am 26. März um 13:02 ist die Entscheidung gefallen. Die Mehrheit der Abgeordneten hat für die Reform des Urheberrechts und damit auch für Artikel 13 gestimmt. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht liest du in diesem Artikel. 

Artikel vom 19.11.2018.